20.04.2022

Wie bereits der Volksmund sagt, wird Geschichte von den Siegern geschrieben. Und vielleicht hat sich’s nicht exakt so zugetragen, aber was soll’s: wir sind die Sieger… Regenwetter, November 1996, 3°C, ich ziehe meine Jacke zu, ein leichter Geruch von Rauch liegt in der Luft. Mit hochgezogenen Schultern und stoischer Miene biege ich um die Ecke, graue Mauern übersäht mit gelb-schwarzem Graffiti, vereinzelt rot, Auswärtsspiel. Es war lange nicht mehr Auswärtsspiel, lange nicht mehr Derby. Von Weitem höre ich die Rufe der Gruppierungen, Anspannung durchfährt mich. Ich zünde mir mit nasskalten Fingern noch eine an, taste prüfend nach der Bengalo in meiner Jeanstasche und beschleunige meinen Schritt: heute geht es um alles… Nun gut, vielleicht war’s wirklich bissl anders, als am  Mittwochabend ein weiteres Kapitel der Nachbarschaftsfehde zwischen Egling und Deining geschrieben werden sollte: ich rauche nämlich eigentlich nicht. Apropos Gras, zurück zum Sport und den Ausgangslagen der Kontrahenten: Während die zur (bitte nicht bierernst nehmen) „Achse des Bösen“ mutierten beidseitigen Nachbarortschaften unseres geliebten (Wahl)Heimatdorfes mit ihrer gemeinsamen Reserve versuchten, die ersten Punkte des Kalenderjahres einzufahren, galt es für die Mannen von 2018-Aufstiegsheld Paul Wissel den fulminanten 2:10-Erfolg über den TSV Wolfratshausen II zu bestätigen..

Mit dementsprechendem Biss gingen die Mannen des SCD vor den Augen einer beträchtlichen Schar ehemaliger Vereinsgrößen von Beginn an zu Werke. „Die Mannschaft“ (bitte nicht mit der DFB-Elf verwechseln, da löst diese Trademark bei mir regelmäßig leichten Brechreiz aus) verschaffte sich durch positives Zweikampfverhalten und eine stabile Grundordnung die nötige Sicherheit, immer wieder gefährliche Angriffe zu initiieren, ohne dabei gleichzeitig großes Risiko zu gehen. Die Führung der Rot-Schwarzen schien zu jeder Phase der ersten Hälfte lediglich eine Frage der Zeit zu sein. Doch was DANN geschah, konnte NIEMAND AHNEN…!!!?! (Ja, ich weiß, Clickbaiting, uncool… Aber wir brauchen die Reichweite für den Moosbachkurier, Werbeeinnahmen und so…) Kurzum: in einem (gefühlt als Zuschauer) schier biblischem Ausmaß vergaben die Deininger Offensivkräfte Großchance um Großchance. Im Nachgang und der Gewissheit 22 des später festgezurrten Derby-Sieges kann man diesen Umstand wohl als weltpolitisches Zeichen für nachbarschaftlichen Frieden in diesen Zeiten werten. Mit einer aussichtsreichen Bewerbung um den entsprechenden Nobelpreis, allerdings ohne eigene Tore (gegnerische waren übrigens zu keinem Zeitpunkt ernsthaft denkbar), bat Coach Wissel somit zum Pausentee.

Ohne die Ansprache persönlich gehört zu haben, dürfte es wohl darum gegangen sein, das Tempo aufrechtzuerhalten und sich endlich für den betriebenen Aufwand zu belohnen. Vielleicht wurden auch - dem Breitengrad angemessene - Kaltgetränke für den Sieg ausgelobt. Jedenfalls wirkte der SCD weiterhin sichtlich motiviert für die zweiten 45 Minuten. Mit deren Beginn nahm auch die für das Derby erwartbare körperliche Härte zu. Binnen acht Minuten sprach der eigens für dieses Match angesetzte internationale Schiedsrichter vier „yellow cards“ aus. Genau diese zunehmende Ruppigkeit sollte sich in der Folge als vielzitierter „Dosenöffner“ für das Spiel erweisen. Nachdem Vorzeigeehemann in spe aka Markus Demmel ein weiteres Mal in den egling-straßlach’schen Strafraum eindrang, um einen erfolglosen Abschluss abzugeben, wurde dieser (man möchte fast sagen: Gott sei Dank) von den Beinen geholt. (Wer in diesem Satz eine zweideutige Anspielung auf das Thema „Hochzeitsnacht“ lesen möchte, möge bitte im Stillen schmunzeln.) Nach kurzer Bedenkzeit und einigen Zurufen zeigte der Referee folglich in der 56. Spielminute auf den Punkt. Für die Ausführung eines so entscheidenden Elfmeters hätte Ex-Nationalkeeper Oliver Kahn wohl sprichwörtlich „Eier“ gefordert. Wie ich jetzt auf dieses Zitat komme… keine Ahnung. Jedenfalls packte sich Jonas Meier selbstbewusst das Leder und legte es einige Tage nach Ostersonntag links unten ins Eglinger Nest. Damit war der Bann gebrochen, denn bereits fünf Minuten später konnte „Der ewige Robert“ auf 0:2 erhöhen. Als es einige Minuten darauf erneut Strafstoß für den SCD infolge eines unklugen Fouls des Eglinger Schlussmannes gab, bot sich den Zuschauern ein seltenes Bild: MR7 am Elfmeterpunkt. Ein kurzer Blick in die große Moosbach-Chronik ließ jedoch Positives erhoffen. Immerhin hatte Markus Repert in seiner langjährigen Karriere im Herrenbereich noch nie einen Elfer verschossen (vielleicht lag es auch daran, dass er noch nie zuvor zu einem angetreten war, aber davon wollen wir jetzt nichts hören, das ist Verschwörungstheorie und Majestätsbeleidigung). Mit einer derart verheißungsvollen Statistik im Hinterkopf trat der Außenbahnspieler an und schoss den eigentlich perfekten Elfmeter. Mit viel Wucht, unhaltbar für den 23 Torhüter, aber leider erfasst von einem plötzlich auffrischenden Föhnwind (genau so war’s, echt!), welcher den Ball an die Latte hievte. Höhere Gewalt also… Dank der Deininger Dominanz in diesem Spiel rächte sich dieser Fehlschuss allerdings nicht. Im Gegenteil: in der 79. Spielminute folgte sogar das 0:3. Aus einer Kontersituation heraus erwies sich Moritz Bauer seiner Rückennummer 10 würdig und vollendete in künstlerischer Manier per Lupfer/Lob/Chip/Heber oder österreichisch: „Schupferl“. An dieser Stelle sei dem leider bereits verstorbenen niederländisch-belgischen Maler „Louis Victor Antonio Artan de Saint-Martin“ gedacht, welcher heute seinen 185. Geburtstag gefeiert hätte. Er hätte an diesem Kunstschuss seine Freude gehabt: Herzlichen Glückwunsch Infolge eines Fouls, welches laut nicht näher genanntem Verursacher „nur Ball“ gewesen sein soll, kam es kurz vor Ende der Partie zu einem Freistoß für die Gastgeber, welchen diese nach etlichem Gestochere im Tor unterbrachten und somit den Ehrentreffer markierten. Auch wenn die Deininger Souveränität im Anschluss zum ersten Mal etwas abhandenkam, blieb es bei einem Endstand von 1:3 und einem hochverdienten Derby-Sieg. Die Mannen vom Moosbach überzeugten durchwegs (abgesehen von der Chancenverwertung) und konnten in der Folge ausgiebig ihren kämpferischen Erfolg in einer standesgemäßen Kabinenfeier ausklingen lassen.

Gemäß DSGVO darf ich hierzu keine näheren Details geben. Im Hinblick auf das am Wochenende anstehende Derby gegen Ascholding möchte ich lediglich eine Liedzeile zitieren, welche Abwehrroutinier Sebastian Unterholzner an diesem Mittwoch zum Besten gab: „Ich hör‘ sie alle schrei‘n: ‚Macht es nochmal! Für unseren Verein, holt den Pokal, Mensch macht das Ding jetzt rein, wie ist egal!‘ Und Fußball ist immer noch wichtig.“.

FG

   
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